Digitale Reife: Was wird eigentlich gemessen?

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Digitale Reifegradmodelle gibt es viele. Wie unterscheiden Sie sich? Was sind typische Untersuchungs­dimensionen? Und müssen Sie bei der Auswahl berücksichtigen?

Digitale Reifegradmodelle (engl. Digital Maturity Model) sind in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Fast jedes Beratungshaus, jeder „Digitalisierungspartner“ und auch wissenschaftliche Institute, Kompetenzzentren und Verbände bieten Modelle und Methoden zur Messung des Digitalisierungsgrades von kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland an.

Mit einer vergleichenden Untersuchung zu den Messkriterien von digitalen Reifegradmodellen hat das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste deshalb versucht, Transparenz in die Vielzahl am Markt vorhandener digitaler Reifegradmodelle zu bringen.

Wir wollen die Ergebnisse mit diesem Blogpost für Sie zusammenfassen und einordnen. Die vollumfassende Publikation können Sie sich hier anschauen.

Digitale Reifegradmessung weckt und schärft das Bewusstsein

Kleine und mitteständische Unternehmen stehen nicht erst seit heute vor der Herausforderung, den digitalen Überblick zu behalten und die richtigen Digitalisierungsaktivitäten zu identifizieren und zu starten. Begrenzte Budgets müssen sinnvoll und erfolgreich eingesetzt werden; häufige Fehlversuche und digitaler Aktionismus sind zu vermeiden. Es kommt mehr denn je auf die Fähigkeit einer Organisation an, die sich bietenden Chancen und das Innovationspotenzial neuer Technologien einerseits und die disruptiven Potentiale andererseits zu erkennen und zielorientiert zu nutzen bzw. abzuwehren. Digitalisierung erfordert also Strategie!

Eine gut designte und durchgeführte digitale Reifegradmessung sollte daher das Bewusstsein für Digitalisierung und den bestehenden Handlungsbedarf im betrachteten Unternehmen wecken! Neben dem aktuellen individuellen Stand sollte die Reifegradmessung zudem konkrete Handlungsbedarfe hinsichtlich der betrachteten Untersuchungsdimensionen und ihren digitalen Transformationsmöglichkeiten liefern.

Digitale Reifegradmodelle und dessen Kategorien

In der oben genannten Studie wurden mehr als 40 Reifegradmodelle evaluiert. Die folgenden vier Kategorien für digitale Reifegradmodelle konnten hieraus abgeleitet werden:

In konzeptionellen Modellen werden die theoretischen Grundlagen für Reifegradmodelle entwickelt. Sie beschreiben i.d.R. Anforderungen und Vorgehen für eine Reifegradmessung. Eine konkrete Anwendung und Markterprobung bleiben häufig aus.

Gesamtwirtschaftliche Modelle zielen auf die Indexbildung z.B. für eine bestimmte Branche oder Unternehmensgröße und betrachten nicht das Unternehmen als einzelnes.
Kommerzielle Modelle entstammen häufig der Beratungsbranche. Für sie ist i.d.R. eine Registrierung oder Beauftragung notwendig und dienen der Beratung häufig zur Kundenakquise für Digitalisierungsprojekte.
Öffentlich zugängliche Modelle stehen jedem zur Verfügung und liefern nach dem „Ausfüllprozess“ ein direktes Ergebnis. Sie entstammen häufig wissenschaftlichen Einrichtungen und ihre Entwicklung ist meist öffentlich gefördert. Ergebnisse können anonym veröffentlicht werden.
Als eine sehr begrenzte Auswahl verfügbarer Reifegradmodelle sollen an dieser Stelle folgende Vertreter genannt werden:
Digitale Reifegradmessung ISR - Blogpost - Abbildung1 - Infografik
Abbildung 1: Auswahl der in der Studie betrachteten digitalen Reifegradmodelle | isr.de
Für ausgewählte Reifegradmodelle finden sich in der besprochenen Studie kurze Beschreibungen in Form von Steckbriefen.

Digitale Reifegradmodelle und dessen Untersuchungs­dimensionen

Digitale Reifegradmodelle versuchen i.d.R. mit Hilfe sogenannter Selbsteinschätzungen relevante Dimensionen der Digitalisierung zu erfassen. Auf Basis von Fragekatalogen sollen dabei verschiedene Dimensionen bzw. Indikatoren, die diese Dimensionen beschreiben bzw. beeinflussen erfasst werden. Die Fragen versuchen dabei, den „Erfüllungsgrad“ der Indikatoren für eine Dimension möglichst gut zu erfassen. Je höher die Zustimmung bzw. der Erfüllungsgrad, desto höher die Punktzahl und somit der digitale Reifegrad in der einzelnen Dimension bzw. des Unternehmens.

Die Studie hat auf Basis einer Auswahl von 19 Reifegradmodellen und deren Fragenkataloge mittels Topic Modelling 9 Themencluster bzw. Untersuchungsdimensionen identifiziert:

Im Cluster „Mitarbeiter“ geht es um die persönlichen Kompetenzen der Mitarbeiter im Umgang mit neuen Technologien, deren regelmäßige Weiterbildung und deren Einbindung in den Transformationsprozess des Unternehmens.
Das Cluster „Organisation“ beschäftigt sich mit Fragestellungen zum Verhältnis von Management und Mitarbeitern, auf die konkrete Projektarbeit und Kollaboration, sowie die „Digitalkompetenz“ des Unternehmens.
(Geschäfts-)Prozesse sind ein zentrales Element bei den Digitalisierungsbemühungen eines jeden Unternehmens. Hier geht es um Digitalisierungsgrad, Automatisierungsgrad und digitalen Integrationsgrad von unternehmensübergreifenden Prozessen.
Gibt es eine Digitalisierungs- oder Digitalstrategie? Welche Digitalisierungsprojekte sind geplant bzw. schon in der Umsetzung? Welche Digitalisierungsziele werden verfolgt?
Wie verändern sich Produkte, Dienstleistungen und somit das Geschäftsmodell im digitalen Kontext?
Der Kunde steht im Mittelpunkt der Digitalisierung! Wie wird die Lücke zum digitalen Kunden geschlossen? Wie ist der Umgang mit Kundendaten, Kundenbeziehungen und Kundenfeedback? Gleiches gilt für Lieferanten.
Im Cluster „IT-Sicherheit“ geht es im Wesentlichen um wichtige Fragestellungen zu den Themen Datensicherheit und Datenschutz.
Fragen zu Infrastrukturthemen und eingesetzten Technologien wie z.B. Cloudbasierten Services.
Abfrage von allgemeinen Unternehmenseigenschaften (z.B. Art und Größe) und sogenannten Querschnittsthemen, wie z.B. Zusammenarbeit und Kommunikation.

Kein digitales Reifegradmodell gleicht dem anderen

Bei den untersuchten Reifegradmodellen gibt es bzgl. der abgedeckten Cluster teilweise zwar deutliche Überschneidungen. Jedoch setzen die einzelnen Modelle auch jeweils deutlich unterschiedliche Schwerpunkte und behandeln unterschiedliche Themen.

Dies führt im Ergebnis dazu, dass die Modelle das Thema Digitalisierung unterschiedlich auffassen und auch messen – kein Modell gleicht hier dem anderen! Es gibt keinen Standard für digitale Reifegradmodelle und demnach auch nicht den einen richtigen Digitalisierungsgrad.

Digitale Reifegradmodelle: Unsere Einordnung der Studienergebnisse

Für ein Unternehmen, welches eine digitale Reifegradmessung durchführen möchte, bedeutet dies konkret, dass es darauf achten sollte, welche (Untersuchungs-)Dimensionen ein konkretes Modell beleuchtet. Denn nur wenn ein Reifegradmodell auf Dimensionen fokussiert, die das Unternehmen auch beeinflussen kann, können die Durchführung selbst und das Ergebnis bzw. mögliche Handlungsempfehlungen einen konkreten Nutzen für das Unternehmen stiften.

Insbesondere sollte ein Unternehmen oder auch eine Beratung darauf achten, dass das eingesetzte Modell und die konkrete Reifegradmessung sogenannte Digitalisierungshemmnisse berücksichtigt. D.h., es sollte insbesondere thematisiert werden, was ein KMU daran hindert, digitaler zu werden!

Wie checkt ISR Ihre digitale Reife?

Der ISR Digital Maturity Check basiert in seinen Grundzügen auf dem bereits oben erwähnten und gleichnamigen Modell des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen.

Der ISR-Ansatz verwendet dabei jedoch nicht nur das Konzept der Selbsteinschätzung, sondern ergänzt das bereits umfassende und gut skalierbare St. Gallen Modell um den Einbezug unternehmensinterner (Prozess-) Daten sowie die Komponente der Experteneinschätzung. Dies ermöglicht den ISR-Beratern nicht nur, ein möglichst detailreiches und unternehmensspezifisches Bild des Digitalisierungsstandes zu erzeugen, sondern auch passende Handlungsempfehlungen zu entwickeln.

Abbildung 2: Die verschiedenen Möglichkeiten der Cloudarchitektur | isr.de
In der nächsten Blogpost-Folge zur Digitalen Reifegradmessung beschäftigen wir uns eingehender mit der Essenz einer digitalen Reifegradmessung und der Frage, worauf es eine solche Messung eigentlich wirklich abzielen sollte? Bleiben Sie gespannt!

Über ISR

Wir agieren seit 1993 als IT-Berater für Data Analytics und Dokumentenlogistik und fokussieren uns auf das Datenmanagement und die Automatisierung von Prozessen.
Ganzheitlich und im Rahmen eines umfassenden Enterprise Information Managements (EIM) begleiten wir von der strategischen IT-Beratung über konkrete Implementierungen und Lösungen bis hin zum IT-Betrieb.
ISR ist Teil der CENIT EIM-Gruppe.

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