
Gastautoren-Beitrag
von Jörg Kremer
mip Management Informationspartner GmbH
Head of Consulting / Delivery Manager

Cloud-Migration: voller Chancen, aber auch Risiken
Die Cloud bietet Analytics-Teams enorme Möglichkeiten: horizontale Skalierung, Pay-per-Use, Automatisierung und kontinuierliche Integration neuer Dienste. Doch genau in dieser Vielseitigkeit liegen auch Fallstricke verborgen. Besonders für IT-Architekt:innen, die für Data-Analytics-Infrastrukturen verantwortlich sind, gilt: Ohne fundierte Architekturentscheidungen und proaktives Risikomanagement wird aus der Chance Cloud schnell ein strategisches Problem.
Inhaltsverzeichnis
Datenhoheit und regulatorischer Druck
Viele Analytics-Projekte verarbeiten sensible Daten – etwa personenbezogene Informationen, transaktionsbasierte Ereignisse oder datenschutzrelevante Logdaten. Mit der Migration in die Cloud verschiebt sich die physische und rechtliche Kontrolle über diese Daten. Sie verlassen die gesicherten Unternehmensnetzwerke und werden in externen Rechenzentren gespeichert, die oft über Ländergrenzen hinweg betrieben werden.
Problematisch wird es, wenn die Speicherorte nicht eindeutig festgelegt sind, Zugriffsmöglichkeiten nicht vollständig dokumentiert wurden oder regulatorische Anforderungen wie die DSGVO nicht im vollen Umfang berücksichtigt wurden. In der Praxis kann dies schwerwiegende Folgen haben.
Ein Unternehmen aus dem Gesundheitswesen migrierte beispielsweise seine Analyseberichte in eine Public-Cloud-Umgebung – erst später stellte sich heraus, dass die zugrunde liegenden Server in den USA standen. Die Rückmigration in eine EU-Region war technisch machbar, aber organisatorisch und vertraglich aufwendig.
Vendor Lock-in in der Analytics-Welt
Ein weiteres, oft unterschätztes Risiko liegt in der schleichenden Abhängigkeit von spezifischen Anbietern und ihren proprietären Diensten. Cloud-native Werkzeuge wie BigQuery, AWS Glue oder AzureWas ist Azure? Azure ist eine Cloud-Computing-Plattform von Microsoft. Sie… More Synapse bieten zwar enorme Leistungsfähigkeit und Integrationskomfort, binden aber auch stark an die jeweilige Plattform.
Je stärker sich ein Analytics-Stack auf solche Dienste stützt, desto schwieriger und kostspieliger wird eine spätere Migration – sei es aus wirtschaftlichen, technischen oder strategischen Gründen. Um dieser Abhängigkeit vorzubeugen, empfiehlt es sich, bewusst auf offene Standards zu setzen. Technologien wie Apache Airflow oder Kubernetes ermöglichen eine stärkere Portabilität. APIs sollten so modular und abstrahiert gestaltet sein, dass ein Anbieterwechsel zumindest perspektivisch realistisch bleibt. Auch bei der Wahl der Datenformate können Weichen für die Zukunft gestellt werden: Wer auf offene Formate wie Parquet oder ORC setzt, erhöht seine Unabhängigkeit und minimiert Konvertierungskosten im Migrationsfall.
Die versteckten Kosten im Data-Processing
Analytics-Plattformen bringen häufig eine hohe Datenbewegung mit sich – nicht nur intern, sondern auch über Netzwerkgrenzen hinweg. Während solche Prozesse in klassischen On-Premises-Umgebungen kaum Kosten verursachen, kann derselbe Vorgang in der Cloud schnell zur teuren Angelegenheit werden.
Viele Teams unterschätzen, wie hoch beispielsweise Egress-Kosten für Datenexporte ausfallen können oder wie stark Always-On-Cluster – etwa für Spark-Processing oder Data Warehousing – ins Budget schlagen. Auch redundante Berechnungen oder schlecht geplante Abfragen in Pipelines können zu Kostenspitzen führen.
Die Antwort auf diese Herausforderungen liegt in einem frühzeitigen Kostenbewusstsein – und in strukturierten FinOps-Prozessen. Die Verantwortung für Cloud-Ausgaben darf nicht allein beim Controlling liegen, sondern muss Teil der Architektur- und Deployment-Verantwortung sein. Nur so lassen sich Prozesse optimieren und Kostenfallen vermeiden.
Verfügbarkeit und Fehleranfälligkeit von Pipelines
Wenn zentrale ETL- oder Streaming-Pipelines ausfallen, hat das meist unmittelbare Auswirkungen auf nachgelagerte Prozesse: Berichte bleiben leer, Dashboards liefern veraltete Daten, Machine-Learning-Modelle werden nicht mehr zuverlässig trainiert.
In der Cloud treten neue Fehlerquellen auf, etwa durch Netzwerkverzögerungen, Dienstestörungen oder sich ändernde API-Verhalten. Umso wichtiger ist es, Resilienz in die Architektur einzubauen. Das bedeutet, Retry-Logiken zu implementieren, Fehlertoleranzen zu definieren, Monitoringlösungen wie Prometheus oder Cloud-native Tools zu nutzen und Service-Level-Indikatoren (SLIs) oder Service-Level-Objectives (SLOs) zu etablieren. Nur so lassen sich Risiken frühzeitig erkennen und systematisch begrenzen.
Hybridbetrieb – Chancen mit Nebenwirkungen
Viele Analytics-Systeme werden heute hybrid betrieben: On-Premises-Datenbanken versorgen Cloud-Dashboards, lokale Hadoop-Cluster liefern Input für cloudbasierte Visualisierungen oder Modelltrainings. Diese Flexibilität erscheint auf den ersten Blick sinnvoll – doch sie erzeugt Komplexität.
Die Herausforderungen beginnen bei der Synchronisation von Daten: Echtzeit- oder Near-Realtime-Synchronisierung zwischen zwei Infrastrukturen erfordert hochpräzise Orchestrierung. Unterschiedliche Sicherheitsmodelle führen schnell zu Zugriffsproblemen, vor allem wenn Rollen- und Rechtekonzepte nicht vereinheitlicht sind. Monitoring wird schwieriger, weil sich Metriken und Logs über mehrere Plattformen verteilen.
Ein ungeplanter Dauerbetrieb im hybriden Modus ist daher riskant. Es sollte von Beginn an ein Zielbild existieren, das definiert, welche Systeme perspektivisch in die Cloud verlagert werden, welche On-Prem bleiben – und wie der Übergang konkret ausgestaltet ist. Ohne solches Zielbild droht ein Zustand ständiger Provisorien, der technische Schulden erzeugt.
Notfallplanung: Die unterschätzte Disziplin
Selten ist der Ausfall eines Cloud-Dienstes für das Unternehmen das größte Problem – vielmehr ist es die fehlende Vorbereitung auf genau diesen Fall. Was passiert, wenn die Region, in der das Cloud-DWH betrieben wird, temporär nicht erreichbar ist? Wie lange bleiben Systeme verfügbar, wenn keine Datenpipeline läuft? Welche Datenstände können wiederhergestellt werden?
Ein professionelles Notfallkonzept muss Recovery-Ziele festlegen – sowohl in Bezug auf Zeit (RTO) als auch auf Datenintegrität (RPO). Georedundante Deployments, getestete Restore-Verfahren und Eskalationsprotokolle sind genauso notwendig wie ein Kommunikationsplan für interne und externe Stakeholder.
Analytics-Architekt:innen sind hier besonders gefragt: Sie müssen definieren, welche Berichte und KPIs im Ernstfall unternehmenskritisch sind – und welche mit Verzögerung toleriert werden können.
Organisatorische Schwächen – Cloud ohne Kulturwandel
Technisch sauber migrierte Systeme nützen wenig, wenn die Organisation nicht nachzieht. Häufig fehlt es an Verantwortlichkeiten: Wer betreut FinOps? Wer sichert Compliance? Wer trainiert Analyst:innen für die neuen Tools?
Weiterbildungen, klare Governance-Modelle und Kommunikationsstrategien sind unerlässlich, um nicht nur eine Migration zu ermöglichen, sondern einen dauerhaften Wandel erfolgreich zu gestalten.

Die Einführung einer Cloud-Analytics-Plattform ist ein kultureller Einschnitt. Rollen verschieben sich, Prozesse ändern sich, neue Kompetenzen werden erforderlich. Fehlt ein strukturiertes Change-Management, drohen Ineffizienzen, Frustration oder Schatten-IT.
Jörg Kremer
Fazit
Analytics-Architekturen sind hochsensibel gegenüber Cloud-Risiken – mehr noch als klassische IT-Systeme. Denn sie verarbeiten geschäftskritische Daten, stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit operativen Entscheidungen und sind in hohem Maße dynamisch. Wer Cloud-Architektur heute gestaltet, muss nicht nur technische Exzellenz beweisen, sondern auch wirtschaftliche, sicherheitsrelevante und organisatorische Risiken beherrschen.
mip-Whitepaper
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Hier geht es zum ersten Teil der Blogartikelreihe:

Was Data-Analytics-Architekten bei der Cloud-Migration ihrer Infrastruktur beachten müssen
Gastautoren-Beitrag von Jörg Kremer mip Management Informationspartner GmbH Head of Consulting / Delivery Manager Gastautoren-Beitrag …

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